VERANSTALTUNGEN
Was ist das Ohlsdorfer Friedensfest?
Im Jahr 1933 wurden die Nationalsozialisten von der deutschen Bevölkerung mehrheitlich gewählt. Das von ihr befürwortete NS-System führte in den Zweiten Weltkrieg mit einer für Hamburgerinnen und Hamburger bis dahin unvorstellbaren, entsetzlichen Kriegshölle im Juli und August 1943.
Diese historischen Ereignisse können kein Fest begründen - gefeiert wird die Befreiung vom Nationalsozialismus. Es ist zugleich ein Bekenntnis zu den heute geltenden demokratischen Werten, insbesondere der Anerkennung der Würde des Menschen. Werte, die das damalige NS-Regime permanent verletzte.
Hintergrund - Rechtsradikale marschierten in den 2000er Jahren an den Gräbern der Bombenopfer auf. Sie nutzen die sommerlichen Jahrestage der Bombennächte für diffamierende Kundgebungen. Daraufhin bildete sich das „Bündnis Ohlsdorfer Friedensfest“, das mit dem Friedensfest seit Sommer 2009 durch Präsenz und konstruktiven Gegenentwurf diesen Versuchen der Umdeutung der Geschichte entgegentritt.
80 Jahre. Lange Schatten - Das Ohlsdorfer Friedensfest, 80 Jahre nach Kriegsende, dauert vom 19.7. bis 3.8.2025 und bietet 16 Veranstaltungen zum Gedenken mit Vorträgen, musikalischen Beiträgen und Führungen. Unter dem Titel „80 Jahre. Lange Schatten“ schauen wir mit Gästen und Publikum auf die Brüche und Kontinuitäten nach 1945.
Programm
Sonnabend, 19. Juli
Veranstaltungsort: Friedenszelt, Bombenopfermahnmal (Bo 66)
14.00 Eröffnung
Das Bündnis Ohlsdorfer Friedensfest stellt sich vor.
15:00 - Stunde Null? Deutschland zwischen Abgrund und Aufbruch
Neuanfang oder eher Mythos - um zu verdrängen, was war? Eine Familie durchlebt die chaotischen ersten Nachkriegsjahre, die alte "Ordnung" liegt in Trümmern. Haltungen, Hoffnungen und Wünsche prallen aufeinander. Man schlägt sich irgendwie durch. Millionen Heimatlose ziehen durchs Land, die Besatzungsmächte geraten in Konflikt, die D-Mark kommt, der Kalte Krieg bricht aus. Von und mit Axensprung Theater.
Sonntag, 20. Juli
11:00 bis 12.00 - Gottesdienst unter freiem Himmel
Veranstaltungsort: Friedenszelt, Bombenopfermahnmal (Bo 66)
Im Gottesdienst vor dem Bombenopfermahnmal gedenken wir der Schattenwürfe der Vergangenheit und stärken uns für das Leben in der Gegenwart – in Stille und im Singen, im Gebet und mit guten Gedanken. Mit den Pastor*innen Britta Eger (Kirchengemeinde Ohlsdorf-Fuhlsbüttel), Andreas Holzbauer (Steilshoop) und Martin Zerrath (Kirchliche Gedenkstättenarbeit Neuengamme). Trompete: Gero Weiland.
12:30 - Demokratische Verantwortung ist nicht neutral!
Veranstaltungsort: Friedenszelt, Bombenopfermahnmal (Bo 66)
Vortrag und Gespräch zur Neutralitätsforderung an Organisationen, die staatliche Fördermittel erhalten.
Demokratie lebt vom kritischen Engagement der Menschen und ihren Nichtregierungsorganisationen (NGOs). 80 Jahre nach der Befreiung vom Naziregime ist es wichtiger denn je, dass diese Organisationen finanzielle Unterstützung erhalten. In der kritischen Auseinandersetzung gegen Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit ist das Grundrecht auf Meinungsfreiheit nicht neutral.
Anschließend: Kranzniederlegung am Grab der “Valvo-Frauen”
Kriegsgefangene Zwangsarbeiterinnen, die bei einem Bombenangriff ums Leben kamen. Start: Bombenopfer-Mahnmal.
15:00 - Frauen in den Bäumen: Frauen beim Wiederaufbau eines demokratischen Gesellschaftssystems
Veranstaltungsort: Garten der Frauen (P 27)
Die Ausstellung des Vereins Garten der Frauen erinnert an Frauen, die nach dem Zweiten Weltkrieg zur Demokratisierung beitrugen oder als Jüdinnen vom NS-Regime verfolgt wurden und nach Hamburg zurückkehrten. Ihr Wirken wird mit historischen Grab- und Erinnerungssteinen gewürdigt. Portraits von sieben Frauen sind auf halbtransparenten Fahnen in den Bäumen zu sehen. Führung mit Dr. Rita Bake.
15:45 - Sie haben überlebt. Ehemalige Zwangsarbeiterinnen und deren Kinder
Veranstaltungsort: Garten der Frauen (P 27)
Während des Zweiten Weltkrieges wurden viele Frauen zur Zwangsarbeit ins Deutsche Reich verschleppt und litten mit ihren Kindern großes Leid. Nach dem Krieg wurde ihr Schicksal schnell vergessen. Margot Löhr beleuchtet anhand von Zeitzeugenberichten und Dokumenten das Leben dieser Frauen und ihrer Kinder nach der Befreiung.
Sonnabend, 26. Juli
Veranstaltungsort: Friedenszelt, Bombenopfermahnmal (Bo 66)
12:00 - Kriegsende 1945 in Hamburg-Nord und der Todesmarsch von Fuhlsbüttel nach Kiel
Mehrere Initiativen aus Langenhorn und Kiel erinnern an die letzten Kriegstage im Norden Hamburgs und an den wenig bekannten Todesmarsch 1945 von Fuhlsbüttel nach Kiel.
14:00 - Die Nichtbefreiten. Die Situation in der Bewahranstalt Hamburg-Farmsen nach der Befreiung vom Nationalsozialismus.
Für viele Mittellose und als „asozial" stigmatisierte Menschen, die in die Fürsorgeanstalt Farmsen eingewiesen wurden - etwa Bettler*innen, Wohnungslose oder Prostituierte - brachte die Befreiung keine Freiheit. Die Historikerin Frauke Steinhäuser schildert ihre Lage nach Kriegsende anhand von Biografien und Selbstzeugnissen.
Sonntag, 27. Juli
Veranstaltungsort: Friedenszelt, Bombenopfermahnmal (Bo 66)
11:30 - Zwei widerständige Schwestern
Die Schwestern Inga und Jutta Madlung, Töchter eines jüdischen Vaters, engagierten sich in der Hamburger Swing-Jugend und protestierten öffentlich gegen die Judenverfolgung. Wegen ihrer Haltung und politischer Witze werden sie 1942 verhaftet und bleiben bis 1943 inhaftiert.
13:00 - Ein Leben "ohne Unfall"
Andreas Babel aus Celle berichtet über die Kindermorde im Krankenhaus Rothenburgsort durch Dr. Helene Sonemann.
Anschließend nach kurzer Pause: Erzählen und Zuhören
mit Antje Kosemund. Musik von Sascha Nedelko Bem.
Mittwoch, 30. Juli
Veranstaltungsort: Friedenszelt, Bombenopfermahnmal (Bo 66)
14:00 - Friedenstüchtig! Begegnungscafé …
ehemals NS-Verfolgter. Musikalischer Gast: Kai Degenhardt.
Sonnabend, 2. August
Veranstaltungsort: Friedenszelt, Bombenopfermahnmal (Bo 66)
12:30 - Vortrag von Hans-Peter de Lorent: Goebbels Schatten
Der Tatsachenroman „Goebbels‘ Schatten“ von Hans-Peter de Lorent erzählt vom NS-Propagandisten Werner Naumann, der nach Hitlers Tod untertaucht und versucht, alte Nazis für ein politisches Comeback in der Bundesrepublik zu mobilisieren. Kurz vor dem Einzug in den Bundestag wird er gestoppt. Parallelen zur heutigen Entwicklung sind unübersehbar.
14:00 - Szenische Darbietung. Überleben in der Trümmerstadt: Zur Praxis der Entnazifizierung und Wiedergutmachung
In sechs Szenen werden die Entnazifizierung, Wiedergutmachung und die Schuldfrage thematisiert. Mit Till Huster, Albrecht Ganskopf und Herma Koehn. Texte und Moderation: Dr. Rita Bake.
Sonntag, 3. August
Veranstaltungsort: Friedenszelt, Bombenopfermahnmal (Bo 66)
14:00 - Kurt Tucholsky - „Goldenes Herz und eiserne Schnauze“
Kurt Tucholsky war schon in jungen Jahren ein erfolgreicher Autor und schreib zahlreiche Artikel für die "Weltbühne", deren Herausgeber er wurde. Sein bekanntester Roman, Schloss Gripsholm, erschien 1931. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde er ausgebürgert, seine Werke verbrannt. 1935 nahm er sich das Leben. Die Schriftstellerin Susanne Bienwald stellt einen vielfältig begabten Autor vor, der an seiner Zeit verzweifelte.
15:00 - Kriegsverweigerung. Poesie und Musik.
Der Titel "Zum ewigen Frieden" von Immanuel Kant (1795) stammte von einem Wirtshausschild, auf dem ein Friedhof aufgemalt war. Wie passend als Motto für eine Abschlussveranstaltung auf dem Ohlsdorfer Friedhof - neben den Massengräbern der Kriegsopfer. Konrad Singer (Konzept, Texte) und Jan See (Musik) präsentieren Poesie und Musik zu Kriegsverweigerung und Pazifismus. Dauer 60 Min.